In meiner Reihe ,,Marke und Vorstand“ habe ich mich stets dafür eingesetzt, den finanziellen und operativen Aspekten des Markenmanagements in den höheren Ebenen von Unternehmen mehr Aufmerksamkeit zu schenken. Es gibt jedoch etwas Neues, das beim Vorstand für Furore sorgt, nämlich KI und insbesondere für Marken– und Kommunikationsverantwortliche ChatGPT. 

Hinweis: Dies ist kein von ChatGPT erstellter Artikel. Die geäußerten Ansichten sind meine eigenen. 

„… ich war noch nie so beeindruckt vom Potenzial einer Technologie …, die Dinge für alle Menschen auf der Welt besser zu machen, aber das wird nur mit der richtigen politischen und finanziellen Grundlage geschehen. 
Lawrence H. Summers, President Emeritus, Harvard Kennedy School of Government beim Weltwirtschaftsforum, 2023 

Im Januar habe ich das Weltwirtschaftsforum in Davos besucht. Im Lauf des Wochenendes hat sich gezeigt, dass die führenden Kräfte aus Wirtschaft und Politik sich nicht nur mit Geopolitik, der Umweltproblematik, Energieversorgung und Krieg beschäftigen, sondern auch mit dem Einfluss von Künstlicher Intelligenz. 

ChatGPT hat auch Google aufgeschreckt. Die New York Times berichtete, dass die Google-Gründer Larry Page und Sergey Brin mehrere Krisensitzungen mit Führungskräften des Unternehmens über den neuen Chatbot von OpenAI abhielten, da dieser eine Bedrohung für Googles Suchgeschäft mit einem Jahresumsatz von 149 Milliarden Dollar sein könnte. Und so stellte CEO Sundar Pichai am 6. Februar Googles Antwort vor: ein neues KI-basiertes Konversationstool namens Bard. Bereits zuvor hatte Microsoft eine Investition in Höhe von 10 Milliarden Dollar in OpenAI, den Entwickler von ChatGPT, angekündigt. Es ist also offensichtlich, dass etwas Ernstes im Gange ist. 

Angesichts des Aufstiegs der KI und der großen Aufmerksamkeit dafür habe ich darüber nachgedacht, was das für die Rolle der Marke bedeutet. Hier meine Gedanken dazu: 

1.Heutzutage ist das Vertrauen in Institutionen im Allgemeinen weniger stark ausgeprägt als früher. Das vergleichsweise große Vertrauen in Unternehmen deutet darauf hin, dass eine persönliche/menschliche Beziehung in Zeiten der Unsicherheit und des Misstrauens einen hohen Stellenwert hat.  Laut dem aktuellen Vertrauensbarometervon Edelmansind Unternehmen die Institution, die am ehesten als kompetent und ethisch angesehen wird. Wie können wir also Vertrauen aufrechterhalten und aufbauen, wenn wir (meinungsstarke) KI-generierte Inhalte nicht mehr von echten menschlichen Inhalten unterscheiden können?

Abbildung 1: Unternehmen als vertrauenswürdigste Institution (aus dem Vertrauensbarometer von Edelman, 2023) 

2.,,ChatGPT“ wird bereits als Akronym für eine ganze Reihe von generativen KI-Lösungen verwendet, die auf den Markt kommen, wobei ChatGPT von OpenAI bei weitem die meiste Aufmerksamkeit auf sich zieht. Was den Bekanntheitsgrad und die Marktdominanz bei KI-Apps betrifft, sind sie bereits das, was Coca-Cola für den Cola-Markt ist.

Die folgende Abbildung bietet einen Überblick über die Marktlandschaft:  

(Abbildung 2, ausgewählt von Ethersiim@aaronsiim)

3.Wenn wir aufgrund der Automatisierung nicht mehr wissen, welchen Informationen wir vertrauen können, und nicht wissen, wer die Informationen wirklich sendet, vermute ich, dass die Menschen mit der Zeit dazu lernen und Informationen bei ihrer Meinungsbildung nicht mehr als glaubwürdig ansehen. Dies wird erhebliche Auswirkungen auf die Relevanz bestimmter Informationskanäle haben, z.B. auf soziale Netzwerke und öffentliche Webinhalte. Diese werden vielleicht noch eine Rolle spielen, wenn es um automatisierte Sachinformationen geht (z. B. Veranstaltungen, Wetter, Finanzmarktinformationen oder Informationen zu Reiseplänen), aber nicht mehr für Einzelpersonen, die ihre Meinung darauf stützen. Wenn man dies mit dem in Verbindung bringt, was ich über das Vertrauen in Unternehmen geschrieben habe, werden direkte (interne) Kommunikationskanäle von Unternehmen für die Menschen nur noch wichtiger werden.

"Wenn wir aufgrund der Automatisierung nicht mehr wissen, welchen Informationen wir vertrauen können, und nicht wissen, wer die Informationen wirklich sendet, vermute ich, dass die Menschen mit der Zeit dazu lernen und Informationen bei ihrer Meinungsbildung nicht mehr als glaubwürdig ansehen."

4. Es ist Aufgabe der Verantwortlichen für Marke und Kommunikation, die Beziehungen zwischen einem Unternehmen und den verschiedenen externen und internen Stakeholdern zu orchestrieren. 

Vor kurzem kündigte Buzzfeed an, dass ihre Inhalte in Zukunft von ChatGPT generiert werden, was zu einem Kursanstieg der Buzzfeed-Aktie um 200% führte. Wie aber können Unternehmen angesichts der Flut von automatisierten Inhalten noch unverwechselbar kommunizieren, wofür sie stehen, wie sie sich verhalten und welche Werte sie haben? Das schwindende Vertrauen in derartige Kommunikationskanäle und die schiere Flut an (automatisierten) Inhalten wird die Menschen dazu bringen, diese Informationen nicht mehr zu nutzen. Wir beobachten bereits eine Verlagerung hin zum Konsum von mehr Videoinhalten als Alternative zum geschriebenen Text. Was aber passiert, wenn erst einmal eine Art ChatGPT für Videoinhalte entstanden ist – und Fälschungen zur Norm werden? Ich kann mir gut vorstellen, dass die Menschen noch skeptischer werden und nur noch den Meinungen von Menschen aus ihrem unmittelbaren Umfeld vertrauen, sowohl im Privatleben – Familie und Freunde – als auch im Geschäftsleben – Kollegen, Lieferanten und Kunden. 

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5. Wie wird sich die traditionelle Verteilung auf Paid, Earned, und Owned Media durch die ,,ChatGPT-isierung“ von Inhalten verändern? Da ich davon ausgehe, dass die Menschen zunehmend vor automatisierten Inhalten zurückschrecken und das Vertrauen in sie verlieren werden, erwarte ich auch, dass die Wirkung von Performance Marketing drastisch abnehmen wird. Ebenso wird jede Kommunikation oder Erfahrung, bei der echte menschliche Interaktion deutlich zu Tage tritt, von den Menschen mehr geschätzt und gewürdigt werden. Viele Marken werden besser und ,,menschlicher“ in der Art und Weise, wie sie Inhalte automatisieren. Viele von ihnen sind bereits wahnsinnig gut darin. 

In einem früheren Artikel habe ich über einen weiteren Trend geschrieben, der diesen Effekt noch verstärken wird: Durch das bevorstehende Aussterben der Cookies von Drittanbietern wird der langfristige Aufbau von Marken wichtiger denn je. Diejenigen von uns, die für Performance Marketing verantwortlich sind, sind süchtig nach Cookies geworden. Wir verwenden Cookies, um Website-Besucher zu verfolgen, die Benutzerfreundlichkeit zu verbessern und Daten zu sammeln, die uns helfen, Werbung auf die richtige Zielgruppe auszurichten und die Konversion zu steigern. Wir verwenden sie auch, um zu erfahren, was unsere Besucher online ansehen, wenn sie nicht auf unseren Websites sind. Safari und Firefox blockieren Cookies von Drittanbietern bereits seit 2013. Auch Google stellt diese Form der Datenverfolgung in Chrome ein. Für Markenverantwortliche bedeutet die Kombination aus dem bevorstehenden Aussterben der Cookies von Drittanbietern und der ,,ChatGPT-isierung“ von Inhalten, dass der langfristige Markenaufbau – zur Schaffung von Empathie bei den verschiedenen Stakeholdern- erheblich an Bedeutung gewinnt.

"Ebenso wird jede Kommunikation oder Erfahrung, bei der echte menschliche Interaktion deutlich zu Tage tritt, von den Menschen mehr geschätzt und gewürdigt werden."

6.Unternehmen und insbesondere die Verantwortlichen für die Marke sollten sich auch an Fach- und Führungsgremien wenden, die für die Beratung von Unternehmen bei der verantwortungsvollen Nutzung dieser Technologien zuständig sind.Die Data and Trust Alliance zum Beispiel ist ein gemeinnütziges Konsortium, das führende Unternehmen zusammenbringt, um ,,einen verantwortungsvollen Umgang mit Daten und KI zu erlernen, zu entwickeln und zu übernehmen“.

"Da das Vertrauen in Unternehmen relativ hoch ist, gibt es die Chance, Purpose, Marke, Identität, Erfahrungen und Verhalten von innen heraus zu fördern. Schließlich ist keine KI so authentisch wie die Menschen in einem Unternehmen."

Alles in allem bleibt abzuwarten, wie sich ChatGPT auf Marken und Kommunikation auswirkt. Ich glaube jedoch, dass es eine Chance darstellt und die Notwendigkeit unterstreicht, sich stärker auf Top-of-the-Funnel-Aktivitäten zur Markenbildung und weniger auf Aktivitäten zur Verkaufsaktivierung zu konzentrieren. Ein Großteil der bisherigen Alltagsaufgaben kann von der KI übernommen werden, was eine gute Sache sein kann.  

Auf der anderen Seite ist die Fähigkeit eines Unternehmens, den Purpose der Marke zu demonstrieren und diesen konsequent über die gesamte Brand Experience und alle Touchpoints mit der Marke zu vermitteln, so wichtig wie nie zuvor. Ich bin mir sicher, dass die Verkaufsaktivierung und Performance-Marketing-Aktivitäten weiter automatisiert werden, aber Unternehmen sollten die menschliche Authentizität nicht ignorieren, da sie letztlich der Schlüssel zum Aufbau ihrer Marke ist.  

Da das Vertrauen in Unternehmen relativ hoch ist, gibt es die Chance, Purpose, Marke, Identität, Erfahrungen und Verhalten von innen heraus zu fördern. Schließlich ist keine KI so authentisch wie die Menschen in einem Unternehmen – zumindest noch nicht. 

Eine Version dieses Artikels wurde im Page Turner Blog veröffentlicht.