Marke und Vorstand V: Warum ESG zu einem wichtigen Treiber für Marken wird
In meiner Reihe ,,Marken und Vorstand“ habe ich dafür plädiert, dass die Führungsebene eines Unternehmens den betriebswirtschaftlichen, finanziellen und organisatorischen Aspekten des Markenmanagements mehr Aufmerksamkeit schenken sollte. In meinem ersten Artikel habe ich einige Tipps gegeben, wie sich Markenverantwortliche beim Vorstand Gehör verschaffen können, indem sie sich mehr auf die ,,Logik“ statt nur auf die ,,Magie“ (Kreativität) hinter ihrer Marke konzentrieren. Damit Vorstände Entscheidungen darüber treffen können, was, wo und wie viel in die Marke investiert werden soll, ist es schließlich von entscheidender Bedeutung, die finanziellen Aspekte rund um die Marke zu verstehen – worüber ich in meinem zweiten Beitrag sprach. Im dritten Artikel dieser Reihe habe ich meine Vision für die Zukunft von Kommunikation und Markenführung vorgestellt. Und im vierten Beitrag ging ich näher darauf ein, warum es jetzt an der Zeit ist, die Markenarchitektur und das Markenmanagement zu vereinfachen.
Eine Zusammenfassung der Artikel I bis IV finden Sie hier : Brands in the Boardroom | LinkedIn
In diesem fünften Beitrag werde ich aus verschiedenen Blickwinkeln aufzeigen, warum ESG Anforderungen (Environmental, Societal and Governmental) zu den wichtigsten Treibern für Marken werden.
Der Aufstieg von Corporate Citizenship als Schwerpunkt für Marken: die untrennbare Verbindung zwischen Profit und Purpose
2019 veröffentlichte Larry Fink, Chairman und CEO von Blackrock, seinen jährlichen Brief an CEOs unter dem Titel ,,Purpose & Profit“. Darin erklärt Fink, dass es für Unternehmen nicht länger tragbar ist, sich nur auf die betriebswirtschaftliche und finanzielle Ergebnisse zu konzentrieren. Er argumentiert, dass der nachhaltige Erfolg einer Marke mehr und mehr von ihrer ,,sozialen Lizenz“ abhängt – zum Beispiel von der Fähigkeit des Unternehmens, Umweltbelange oder die Bedürfnisse anderer Stakeholder zu berücksichtigen. In der internationalen Gemeinschaft der Unternehmenskommunikation ist dieses Denken über den Unternehmenscharakter keineswegs neu. Meine Kollegen von der Page Society entwickeln diesen Ansatz schon seit Jahren. Im Jahr 2018 veröffentlichte der Präsident der Page Society, Roger Bolton, sein Buch ,, The New Era of the Chief Communications Officer„, das sich mit genau diesem Thema befasst.
"Darin erklärt Fink, dass es für Unternehmen nicht länger tragbar ist, sich nur auf die betriebswirtschaftliche und finanzielle Ergebnisse zu konzentrieren. Er argumentiert, dass der nachhaltige Erfolg einer Marke mehr und mehr von ihrer ,,sozialen Lizenz" abhängt.’"
Neu war an Finks Apell, dass nun auch die angloamerikanisch dominierte Finanzwelt damit anfing zu akzeptieren, dass es mehr zu beachten gibt als isolierte Quartalsergebnisse. Larry Finks Brief macht Blackrocks Verständnis dafür deutlich, dass es nicht länger tragbar ist, sich nur auf betriebswirtschaftliche Erfolge zu konzentrieren. Ohne starke Stakeholder-Beziehungen und ohne ein tieferes Verständnis seines Purpose wird ein Unternehmen nicht weiter wachsen. Im Herbst 2019 veröffentlichte auch der American Business Round Table Meinungen von Führungskräften, die diese Ansicht unterstützen.
Der Wandel vom Shareholder-Kapitalismus hin zum Stakeholder-Kapitalismus ist in vollem Gange und wird die Position von Marken weiterhin nachhaltig beeinflussen
In diesem Sommer veröffentlichte die Page Society ihr neuestes Thought Leadership Paper zum Thema ,,Societal Value“, ein Muss für jeden Kommunikations- und Unternehmensleiter.
,,Three Ways to Create Stakeholder Value, Stakeholder Capitalism and ESG, a Guide for Communication Leaders”, Page Society, Juli 2022
Mit der zunehmenden Bedeutung der Stakeholder-Ökonomie setzt sich die Erkenntnis durch, dass Unternehmen eine größere Aufgabe haben, als ausschließlich auf Gewinn und Shareholder Value zu achten. Ihre Verantwortung, ihr Einfluss und ihr Beitrag für den Planeten und verschiedenste Interessensgruppen in der Gesellschaft sind inzwischen weitgehend bekannt. Unternehmen wie Meta und Shell leiden unter diesem Wandel, da sie offenbar nicht in der Lage sind, dieses neue Denken angemessen und schnell genug zu übernehmen. Die Investoren hingegen haben sich das neue Mantra zunehmend zu eigen gemacht. Ratingagenturen wie Moody’s, Fitch und S&P haben viele ESG-Ratingagenturen übernommen, um auch nicht-betriebswirtschaftliche Kennzahlen in ihre Bewertungsmethodik miteinzubeziehen.
Purpose-orientiertes Denken steht im Zentrum dieser Entwicklung und hilft Unternehmen dabei, diesen Wandel greifbar zu machen und Maßnahmen zu planen, die den Erfolg dieser neuen Strategien garantieren. Für Unternehmen bedeutet dies, dass das gesamte Markenerlebnis über die Zeit angepasst werden muss, um die neue Ausrichtung, Marktpositionierung und Überzeugungen zum Ausdruck zu bringen.
Lesen Sie mehr im Leitfaden:
7 Schritte für ein erfolgreiches Rebranding
Eine effektive Anleitung für Marken-, Marketing- und Kommunikationsmanager, die ihre Marke verändern wollen.
Auswirkungen von ESG auf Marken heute und wie wichtig sie in Zukunft sein werden
Wir sind in der Stakeholder-Ökonomie angekommen, in der nicht mehr nur Investoren und Kunden im Mittelpunkt stehen, sondern auch Mitarbeiter, die Umwelt und die Gesellschaft. Für Unternehmen bedeutet dies, dass der langfristige Markenaufbau – zur Schaffung von Bewusstsein und Empathie bei allen Stakeholder-Gruppen – erheblich an Bedeutung gewonnen hat. Die Arbeit von Binet & Field über die Lang- und Kurzfristigkeit des Markenaufbaus findet bei vielen Vorstandsmitgliedern Anklang und hilft ihnen zu verstehen, dass sie mehr in den langfristigen Markenaufbau und nicht nur in die kurzfristige Verkaufsaktivierung investieren müssen.
ESG-Berichterstattung: Erhöhte Transparenz verstärkt den Trend zur Vereinfachung von Markenportfolios
Wie wir sehen, wird die zunehmende Transparenz maßgeblich gefördert durch die Digitalisierung und dem gesellschaftlichen, kundenorientierten Wunsch nach einem besseren Verständnis davon, wer hinter einer bestimmten Marke steht und welche Motive er verfolgt. Dies wird sehr deutlich, wenn man sich die immer wichtigere Rolle ansieht, die die nichtfinanzielle Leistungsberichterstattung spielt, wie sie derzeit in ESG-Vorschriften wie der EU-Richtlinie über die Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen (CSRD) festgelegt ist. Die zunehmende Komplexität der Compliance- und Berichterstattungsanforderungen bedeutet, dass es für Unternehmen mit vielen Marken schwieriger (und teurer!) wird, ESG-konform zu sein. Die Neubewertung von Markenportfolios mit Blick auf eine Straffung und Vereinfachung wird in Zukunft ein zunehmender Trend sein.
"Wie wir sehen, wird die zunehmende Transparenz maßgeblich gefördert durch die Digitalisierung und dem gesellschaftlichen, kundenorientierten Wunsch nach einem besseren Verständnis davon, wer hinter einer bestimmten Marke steht und welche Motive er verfolgt."
Mein Rat an Marken- und Marketingverantwortliche für das Jahr 2023
Der Übergang zur Stakeholder-Ökonomie wird von Dauer sein und sollte ein Schwerpunkt der Zukunftsstrategie eines jeden Unternehmens sein. Dennoch sehen wir Beispiele, bei denen das Pendel möglicherweise zu weit ausschlägt – zum Beispiel bei Unilever, wo dies unter der Führung von Alan Jope schon seit langem ein Mantra ist. Im Jahr 2019, wenige Monate nach seinem Amtsantritt als CEO, sagte Jope bekanntlich: ,,Marken ohne Purpose haben bei Unilever keine langfristige Zukunft.“ Infolgedessen sah sich das Unternehmen dem Druck der Aktionäre ausgesetzt, weil es den Anschein hatte, es würde dem Purpose Vorrang gegenüber den Geschäftsergebnissen eingeräumt werden. Das ist meiner Meinung nach nur zu gut nachvollziehbar, vor allem dann, wenn die Geschäftsergebnisse – wie im Fall von Unilever – hinter denen von anderen Unternehmen zurückbleiben.
Die Fokussierung sowohl auf Purpose wie auch Gewinn wird immer ein Balanceakt bleiben und – auch angesichts der enormen Auswirkungen der aktuellen geopolitischen Entwicklungen (Krieg in der Ukraine, Energieversorgung und Unterbrechung der Lieferketten) – eine größere Herausforderung als je zuvor. Für Markenverantwortliche bedeutet dies, dass sie die Positionierung ihrer Marke und ihre Ausrichtung auf Multi-Stakeholder-Gruppen neu bewerten müssen. Die Rolle der Marke bei der Stärkung der Beziehung zwischen einem Unternehmen und seinen Stakeholdern war noch nie so wichtig wie heute.