Früher oder später wird wohl jedes Vorstandsmitglied mit dem Thema Rebranding konfrontiert. In Anbetracht der Tatsache, dass Marken das wertvollste immaterielle Gut globaler Organisationen sind, sind sie dabei aber oft unzureichend auf die Chancen und Risiken dieser Unternehmung vorbereitet. Daher können sie die Vorteile, die die Markenanpassung für das Unternehmen mit sich bringen kann (einschließlich der erforderlichen Kapitalrendite), nicht in vollem Umfang nutzen.
Welche Schritte durchlaufen Sie in einem Rebranding-Prozess?
Rebrandings sind heutzutage natürlich digitaler als in der Vergangenheit und dadurch auch wesentlich facettenreicher. Wo es noch vor wenigen Jahren die immer gleichen zehn Marken-Asset-Kategorien zu managen galt, sind es heute plötzlich 50. Trotz dieser rasanten digitalen Expansion beeinflusst ein Rebranding nach wie vor auch die physischen Markenwerte stark.
Denken Sie an die physische Umgebung (z.B. Büros, Einzelhandelsgeschäfte, Fabriken, usw.) genauso wie an die Fahrzeugflotte, Züge, Schiffe oder sogar Flugzeuge: Hier treten die größten Herausforderungen für das Rebranding auf und nicht selten werden große finanzielle Möglichkeiten zur Senkung der Ausgaben und zur Reduzierung künftiger Budgets übersehen.
Während die meisten meiner letzten Blogs sich mit den Folgen der Digitalisierung, Markentransformationen und Markenführung beschäftigt haben, konzentriere ich mich heute auf vermögensintensive Rebrandings und was dabei häufig falsch läuft. Derartige Rebrandings treten vor allem dann auf, wenn Organisationen aufgrund einer klaren Neupositionierung, Fusion, Übernahme oder Ausgliederung einer umfassenden Veränderung ausgesetzt sind.
Im einfachsten Fall könnte der Umfang der Veränderung folgendermaßen sein:
Die vermögensintensiven Szenarien (siehe oben) umfassen das Rebranding aller Marken-Touchpoints, einschließlich der physischen Umgebung, der Flotte, Züge, Schiffe und Flugzeuge. Diese Assets machen in der Regel 50-70% der gesamten Ausgaben für das Rebranding aus, sind bei weitem die komplexesten in der Planung und erfordern einen recht langen Zeitrahmen bei der Implementierung. Darüber hinaus müssen sie in der Regel durch Investitionen in CAPEX (Kapitalausgaben) finanziert werden.
Basierend auf den hunderten vermögensintensiven Rebrandings, die wir in den letzten 26 Jahren begleitet haben, können wir acht Hauptfehlerquellen identifizieren, die zu einem suboptimalen Rebranding führen:
1. Das Fehlen eines vollwertigen Business Cases
Zu oft bauen Unternehmen ein Rebranding zwar auf gründlicher Markenforschung sowie einer guten Markenstrategie und -design auf, jedoch ohne einen robusten Business Case zu haben, der die Implikationen (und Vorteile!) für die Organisation berücksichtigt. Als Folge wurden dann beispielsweise erforderliche Budgets nicht zugewiesen (oder viel zu niedrig angesetzt), wichtige Teams und Schlüsselfunktionen nicht eingesetzt und der gesamte organisatorische Aufwand stark unterschätzt.
2. Das Finanzteam nicht an Bord haben
Entscheidungen über große Investitionen werden vom Vorstand getroffen und sie brauchen das „Nicken“ des CFO. In der Realität passiert es jedoch oft, dass Rebrandings ohne Berücksichtigung der Rechnungslegungsgrundsätze der Organisation, Abschreibungszeiträume, Erneuerungsprogramme oder des aktuellen Bilanzwertes der jeweiligen Vermögenswerte geplant werden. Dies kann zu einem schwachen Business Case führen, der nicht durch starke finanzielle Überlegungen gestützt wird.
3. Fehlen einer richtigen Projektorganisation schon von Anfang an
Der Business Case ist genehmigt, der CFO ist an Bord, was kommt also als Nächstes? Ein Rebranding ohne einen klaren Sponsor auf Vorstandsebene und ein Project Lead, der alles plant, wird meist nicht gelingen, da der Markeninhaber Mühe haben wird, interne Unterstützung zu erhalten.
4. Die Marke über den Zaun werfen
Nach meiner Erfahrung ist das perfekte Rezept für Katastrophen gegeben, wenn die zentrale Markenabteilung den dezentralen Nutzern zwar Richtlinien und Ressourcen zur Verfügung stellt, dann aber einen Zeitplan für die Einführung ohne zentrales Budget für Training und Support vorgibt. Das Ergebnis ist eine uneinheitlich implementierte Marke, da die ursprüngliche Idee des Rebrandings in subjektiven Interpretationen verloren geht.
5. Value-Engineering-Möglichkeiten und damit Einsparpotenziale verpassen
Wie bei jedem Change Prozess muss auch ein Rebranding rundum gut durchdacht werden, da es die optimale Gelegenheit bietet, zu bewerten und validieren, welche Markenwerte einen tatsächlichen Mehrwert schaffen. Es ist auch der richtige Zeitpunkt, effektivere und günstigere Wege zu finden, um die Assets zu produzieren. Die Teams haben aber oft keine klare Anleitung hierfür und ersetzen dann Assets auf einer Like-for-Like-Basis – sowohl in Bezug auf den Umfang als auch auf den Prozess selbst. So wird eine große Chance vertan, zukünftige Kosten zu reduzieren und somit Mittel für wichtigere und wertvollere Branding-Initiativen freizugeben.
6. Fehlende Nutzung neuer technologischer Möglichkeiten, die ein beeindruckendes und dauerhaftes Markenerlebnis gewährleisten können
In unserem Buch „Vermögenswert Marke“ haben wir uns mit den wichtigsten technologischen Trends beschäftigt, die die Markenwelt heute beeinflussen: 5G, das Internet der Dinge, VR, AR, Mixed Reality sowie Künstliche Intelligenz. Diese Technologien schaffen mehr Möglichkeiten denn je für neue Customer und Employee Journeys, die sie deutlich vom Wettbewerb abheben. Zu oft sehen wir, dass aufgrund fehlender Vorbereitung keine Zeit und kein Budget für die Implementierung neuer, experimenteller Technologien geplant sind, die sowohl die Mitarbeiter- als auch die Kundenerfahrungen mit der Marke nachhaltig und positiv verändern könnten. Dadurch wird das Potential und Ziel des Rebrandings nicht ausgeschöpft.
7. Keinen Plan für die anstehende Flutwelle haben
Ein Rebranding bedeutet für die Mitarbeiter, die das Projekt leiten, eine Menge zusätzlicher Arbeit. Allzu oft werden wir als Berater erst dann gerufen, wenn das Arbeitspensum die beteiligten Personen bereits überwältigt hat und die Beziehungen innerhalb des Unternehmens angespannt sind. An diesem Punkt ist es viel schwieriger, die Dinge in Ordnung zu bringen, die interne Unterstützung für das Rebranding ist verloren gegangen und der interne Ruf des Markeninhabers wurde (manchmal irreparabel!) beschädigt.
8. Die Mitarbeiter nicht ausreichend vom Rebranding überzeugen
Der physische Austausch von Assets kann -überspitzt gesagt- erreicht werden, indem einfach Geld ausgegeben wird. Die Zustimmung und das Kommittent der Kollegen zu gewinnen, ist dagegen nicht so einfach. Dies ist wohl der am häufigsten unterschätzte Aspekt eines Rebrandings. Im schlimmsten Fall werden interne Teams nicht nur den Nutzen der neuen Marke nicht verstehen, sondern werden zynisch und unterstützen keine Rebranding-Initiativen und damit verbundene Aktivitäten.
Dies ist keine absolute Liste, denn wenn es um Rebrandings geht, hat jedes Unternehmen seine eigene Dynamik und potenzielle Fallstricke, aber es sollte Ihnen eine Vorstellung von einigen Risiken geben, die mit einem Markenwechsel verbunden sind. Wenn diese nicht berücksichtigt werden, werden Markeninhaber und Agenturen gleichsam enttäuscht sein, da das Rebranding nicht dem entspricht, was es ursprünglich versprochen hat.
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Marc ist Co-Autor von ,,Vermögenswert Marke“, einem Buch, das sich mit der Implementierung und dem Management von Marken beschäftigt und dabei reale Case Studies aus über 25 Jahren an Erfahrung einbringt.
Lesen Sie mehr im Whitepaper:
7 Schritte für ein erfolgreiches Rebranding
Ein praktischer Schritt-für-Schritt-Guide für Marken-, Marketing- und Kommunikationsmanager, die ihre Marke verändern wollen.